Blindverkostung für Blinde und Sehende zu einem guten Zweck

von Conrad Seidl 01/10/2023
Nachrichten
Blindverkostung für Blinde und Sehende zu einem guten Zweck

Wien - Diese Veranstaltung war wahrscheinlich die spannendste Verkostung des Jahres: Während Blindverkostung üblicherweise bedeutet, dass Verkoster nicht erfahren, welche Biere sie gerade im Kostglas haben, konnten bei der Bier-Blindverkostung der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen tatsächlich blinde Personen gemeinsam mit nicht-behinderten Menschen "blind" den Aromen einiger gängiger Bierstile und einiger besonderer Biere nachspüren. 

Über die Bühne - auf der in den Pausen Loui Austen für Unterhaltung sorgte - ging das Even am 8. November 2023 im Schutzhaus Zukunft auf der Schmelz.

Moderator Conrad Seidl berichtete anschließend in der Fachzeitschrift "Der Getränkefachgroßhandel" folgendermaßen: "Vor einigen Monaten aber bin ich mit Funktionären der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen bei einem Bier zusammengesessen und da ist die Idee entstanden, eine Blindverkostung für Blinde zu veranstalten. Wäre es nicht interessant, die Erfahrungen von tatsächlich blinden Personen bei einer Verkostung zu erleben? Kann jemand, der nicht sieht, was im Glas ist, sich besser auf Aromen, Geschmäcker und das Mundgefühl einstellen? Es wäre zumindest zu vermuten."

Und ja, es funktionierte.

Im Bericht heißt es weiter: "Wir haben über 100 Interessierte – Blinde und Sehende – eingeladen, gemeinsam sechs sehr unterschiedliche Biere zu kosten. Denjenigen, die als Sehende teilgenommen haben, haben wir Schlafmasken verpasst. Aber eingeschlafen ist natürlich keiner. Im Gegenteil: Mit verbundenen Augen konzentriert man sich mehr, zunächst schon, um das Probenglas sicher zu ertasten. Dann ein wenig schnuppern: Gleich bei der ersten Probe – einem Pils – vermeinte einer der blinden Tester, die Marke eines Bieres zu erkennen, das er vor Jahrzehnten im elterlichen Haushalt kennengelernt hatte. Er hat sich dabei geirrt, aber Vorurteile sind eben mächtig. Also noch einmal die Nase ins Glas gehalten, die heuartigen Hopfenaromen und einen Hauch von der Hefe wahrgenommen. Dann kosten. Das Prickeln spüren. Die Bittere. Den trockenen Nachtrunk. Ja, ein typisches Pils. Und dann weiter zur nächsten Probe. Riecht nach Hefe. Wirklich? Ja, so riecht ein Hefeweizen. Aber ein Hefeweizen riecht ja eigentlich nicht nach Hefe. Da gilt es, die Erinnerungen an andere Geruchsreferenzen abzurufen; an Bananen, an Lebkuchen, vielleicht auch an Birnen. Als drittes Bier in diesem Flight ein Porter – unter den Masken wird korrekt der Röstgeruch erkannt, die Bittere korrekt als teilweise vom gerösteten Malz kommend beschrieben."

Sehr gut. Zweite Runde, nun belgische Biere. Wiederum Konzentration. Das Orval hat seinen typischen Brettanomyces-Geruch, der viele Kosterinnen und Koster an Leder erinnert. Das Rodenbach riecht deutlich sauer – und schmeckt ein wenig wie ein trockener Weißwein (einige Leute wollten anschließend wissen, wo man das kaufen könnte). Und schließlich das Houblon Chouffe mit seinen an Mangos und Harz erinnernden Aromen. Blind verkostet, wirken sie noch intensiver. Einfach mal selbst probieren!

Bei dem Event wurden Spenden eingesammelt - und natürlich kann man auch weiter für die Hilfsgemeinschaft spenden. 

https://www.hilfsgemeinschaft.at