Brauereiverbände suchten Gründe, Bier zu trinken

von Conrad Seidl 09/05/2020
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Brauereiverbände suchten Gründe, Bier zu trinken

New York - Ein Biertrinker braucht wahrscheinlich keine Begründung, warum er sein Lieblingsgetränk konsumiert. Aber denen, die Bier nicht so gut kennen, sollte man es wohl erklären. Das steckt hinter einer Anzeige aus dem Cattaraugus Republican, einer Zeitung, die von 1867 bis 1926 In Salamanca, New York, erschienen ist. In der Ausgabe vom 3. Mai 1917, erschien eine Anzeige der der New York State Brewers' Association, die mein amerikanischer Kollege Jay R. Brooks ausgegraben hat.

In seiner Publikation Brookston Beer Bulletin analysierte er das historische Umfeld des Inserats. Es war Krieg - ein Krieg den die USA gegen die deutschsprachigen europäischen Mittelmächte führten, was der Prohibitionsbewegung Auftrieb gegeben hat: Viele Brauereien in Amerika hatten ja deutsche Gründer und deutsche Namen - Anheuser-Bush, Rheingold oder Heilemann sind prominente Beispiele - und die Verfechter des Alkoholverbots nutzten dies, um antideutsche Stimmung in eine patriotische Stimmung gegen Alkohol zu verwandeln.  

Jay R. Brooks stellt noch einen anderen wichtigen Bezug der Bier-Geschichte her: Die US-Brauereien waren ursprünglich bedeutende Steuerzahler, während die Bürger keine Einkommenssteuern zu zahlen hatten. Damit war der Staat stark von den Steuerleistungen der Brauer abhängig, weshalb diese die Temperance-Bewegung nicht allzu ernst genommen haben. Die Regierung würde sich doch nicht ins eigene Fleisch schneiden und eine wesentliche Säule des Budgets wegschneiden. Das aber konnte die stark unter dem Einfluss religiöser, von Frauen dominierter Anti-Alkohol-Gruppen stehende Prohibitions-Bewegung fordern, nachdem mit dem 16. Verfassungszusatz 1913 die persönliche Einkommenssteuer eingeführt worden war. Bis dahin stammte der Großteil der Steuereinnahmen aus Verbrauchsteuern, nun aber war die Steuerlast "demokratischer" verteilt und radikale Bürgergruppen forderten Mitsprache - eben zugunsten eines Alkoholverbots.  

Zu spät merkten die Brauereien, was gespielt wurde: Da ihre Steuerleistungen an die Regierung nun kein so starkes Bollwerk gegen ein totales Alkoholverbot mehr dargestellt haben, mussten sie sich mit den Argumenten der Temperenzler auseinandersetzen. Die Anzeigenkampagne sollte ihre Industrie und ihr Bier selbst verteidigten. Es war zu wenig, zu spät, und wie wir alle wissen, wurde die Prohibition mit dem 18. Verfassungszusatz 1919 verabschiedet, nur sechs Jahre nach der Einführung der Einkommensteuer. 

Das bundesgesetzliche Verbot dauerte bis zum 21st Amendment, dem 21. Verfassungszusatz von 1933, der die Prohibition wieder aufgehoben hat. 

Auch danach inserierten die Brauereiverbände wieder, um den Bürgern - die ja nicht alle Biertrinker sind - den Wert des Bieres für Wirtschaft und Gesellschaft, für Volksgesundheit und für den Einzelnen hervorzuheben. In dem zitierten Inserat von 1917 heißt es: 

"Warum trinken die Leute Bier? Der Grund, aus dem die meisten Leute Bier trinken, ist, dass es gut schmeckt. Der Grund, warum sie weitertrinken, ist, dass es ihnen weiterhin gut tut. Bier ist ein ideales Getränk. Es stillt den Durst, gibt dem Körper Nahrung und muntert den Geist auf. Es ist ein gesundes Nahrungsmittel. Der Begriff „Nahrung“ umfasst alles, ob fest oder flüssig, das das erschöpfte Gewebe des Körpers wiederherstellt oder Wärme und Energie liefert. Der Nährstoffgehalt von Bier ist gesund und nahrhaft. Es ist nicht nur ein Lebensmittel, sondern auch ein Getränk. Das heißt, es stützt nicht nur den Körper, sondern stillt auch den Durst. Es enthält gerade genug Alkohol, um den Körper zu erfrischen, den Appetit anzuregen und ein allgemeines Wohlbefinden zu erzeugen. Bier ist für alle Sinne angenehm. Es ist gut anzusehen, sein Aroma ist attraktiv, sein Geschmack ist spritzig und es ist ideal geeignet, um die Bedürfnisse des menschlichen Körpers zu befriedigen. Jahrhunderte der Verwendung haben Bier als das ideale Getränk etabliert, das ein Maximum an Vergnügen bietet. "

Man könnte es heute noch kaum besser sagen.

https://brookstonbeerbulletin.com/why-do-people-drink-beer/