Nachhaltiges Bier der Zukunft

von Conrad Seidl 17/02/2024
Nachrichten
Nachhaltiges Bier der Zukunft

Nürnberg - Veränderungen im Biergeschmack gehen meistens recht langsam vor sich – und oft bemühen sich die Brauereien, diese Veränderungen gar nicht auffallen zu lassen. Wenn sich jemand an den typischen Geschmack seines Lieblings-Weizen, seines Lieblings-Pils oder auch seines Lieblings-Porter gewöhnt hat, dann will ihn der Markeninhaber natürlich gerne bei der Stange halten. Daher wird den Konsumenten nicht so viel über schwankende Qualitäten bei den Braugersten oder über neue Hopfensorten erzählt – mit etwas Geschick lassen sich ja derartige Unterschiede im Brauprozess ausgleichen und das Delta der Veränderung klein halten. Immerhin kann die Brauerei ja immer noch ein ganz neues Produkt ins Programm nehmen und dieses dann als differenzierte Innovation (bei der man dann umso mehr über Hopfen, Malze und vielleicht sogar Hefestämme reden kann) bewerben.

Allerdings stoßen die Bauern, die die Rohstoffe für die traditionellen Biere liefern, zunehmend an Grenzen: Große Teile der Hopfenflächen in der Hallertau leiden unter Trockenheit – zwar gibt es Pläne, dem mit großangelegten Bewässerungsanlagen (Stichwort: Donauwasser für die Hallertau) entgegenzuwirken, doch wird man nicht umhinkommen, auch neue Hopfensorten anzupflanzen. Und diese bringen eben andere Aromen und Geschmackseindrücke in das Bier. „Die Neuzüchtungen müssen nicht nur von unseren Pflanzern akzeptiert werden, sondern auch bei den Brauern gut ankommen“, sagt Thomas Raiser, Geschäftsführer beim Hopfenhandelshaus BarthHaas.

Dieses betreibt in Nürnberg eine kleine Konzeptbrauerei, in dem Braumeister Lennart Heselhaus ein zukunftstaugliches Bier kreiert hat – es sollte eben nicht als Innovation erkennbar sein, sondern sich in die vom Hellen dominierte bayrische Bierlandschaft möglichst nahtlos einfügen. Wobei Heselhaus bewusst ist, dass auch traditionell gebraute Biere angesichts der veränderten Klimasituation neu interpretiert werden müssen – nicht nur im Sudhaus, sondern eben auch in der Landwirtschaft, wo beim Hopfen ein Sortenwechsel eingeleitet wurde. Ähnlich ist es mit Gerstensorten, die mit dem Klimawandel fertigwerden müssen.

In dem von Heselhaus komponierten und inzwischen von der Brauerei Rittmayer in Hallerndorf im großen Maßstab hergestellten „Beer for Future“ kommen als „zukunftsfähig“ bezeichnete, weil weitgehend gegen Trockenheit und Hitze tolerante, Hopfensorten (Titan, Mandarina Bavaria, Callista und eine weitere Zuchtsorte aus dem Hopfenforschungszentrum Hüll) mit einem neuen Malz der Ireks-Mälzerei in Kulmbach zusammen – die vermälzte Gerste gilt ebenso wie der neue Hopfen als ertragsstabil, mit guter Mehltau-Resistenz, sehr robust und trockenstresstolerant.

Präsentiert auf der BrauBeviale

Und wie schmeckt das Helle der Zukunft? Auf der BrauBeviale im vergangenen Herbst konnte man es probieren.

Im Glas zeigt sich dieses nachhaltig gebraute Helle sortentypisch goldgelb mit festem weißem Schaum, einem Duft von Hefe und Kräutern. Der Antrunk ist leicht vollmundig, verglichen mit anderen Bieren des Stils setzt allerdings recht früh die Bittere ein, die dann – eher untypisch für ein Helles – bis zum Nachtrunk dominierend bleibt. Sehr gut (und kompatibel mit dem Landbier der Brauerei Rittmayer), aber eben doch ein Schritt weg von dem, was man sich unter einem bayrischen Hellen erwartet.

Wenn sich das durchsetzt (bei Rittmayer hat es das schon getan), müssen wir Biertrinker mit einem leicht veränderten Biergeschmack wohl über alle Bierstile hinweg rechnen. Schlimm? Nein, der Unterschied ist ja nicht grundlegend – und die Änderungen geben eine gewisse Sicherheit, dass wir trotz Klimawandel weiterhin sehr gute Biere aus mitteleuropäischen Rohstoffen trinken können. Es bleibt ja ohnehin nichts übrig, als sich an den Klimawandel zu gewöhnen, er hat uns ja auch ein paar Vorteile gebracht: Dass wir dank trockenerer und wärmerer Sommer öfter im Biergarten sitzen können – darüber hat sich noch keiner beklagt!

(Dieser Text ist bereits in Conrad Seidls Kolumne in "Der Getränkefachgroßhandel" (2024 01) erschienen)