Sapporo schließt die älteste Craftbier-Brauerei der USA

von Conrad Seidl 13/07/2023
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Sapporo schließt die älteste Craftbier-Brauerei der USA

San Francisco - “Last of Steam Beer — An Institution Dies” - diese Schlagzeile des San Francisco Chronicle könnte vom 12. Juli 2023 sein. Tatsächlich aber ist sie vom 28. Juni 1959. Die Kolleginnen und Kollegen haben sie ausgegraben, weil sie eben dieser Tage wieder aktuell geworden ist: Sapporo Breweries, die die kalifornische Traditionsbrauerei 2017 übernommen haben, erklärten, dass sie mit diesem Investment nur Verluste gemacht hätten. Tatsächlich haben die japanischen Eigentümer im Produktportfolio kräftig umgerührt, den Markenauftritt geändert und als multinationaler Konzern die Brauerei auch ihres Status als Craftbier-Brauerei beraubt. 

Anchor war vor allem dafür bekannt, dass dort die Tradition des "California Common" oder "Steam Beer" hochgehalten wurde - dabei handelt es sich um ein mit untergäriger Hefe relativ warm vergorenes und daher sehr aromatisches Bier. Andere berühmte Produkte waren das jedes Jahr mit einer anderen Zutat aus Kaliforniens Wäldern gebraute Christmas Ale und der Old Foghorn Barley Wine. Mitte der 1970er Jahre war das "Liberty Ale" von Anchor das erste moderne India Pale Ale in den USA.

Anchor wurde 1896 gegründet und oft als die erste Craft-Brauerei des Landes bezeichnet, doch durch die Übernahme durch Sapporo wurde die offizielle Bezeichnung „Craft“ obsolet und es kam zu einer Reihe weiterer Veränderungen. Die historisch anachronistische Brauerei begann mit der Produktion von Dutzenden angeblich "trendigen" und experimentellen Stilen, wie einem Meyer Lemon Lager und einem Brombeer IPA. Es eröffnete einen modernen Taproom und eine Pilotbrauerei und begann, für Führungen Gebühren zu erheben. Im Jahr 2019 gründeten unzufriedene Arbeitnehmer zum ersten Mal in der Geschichte von Anchor erfolgreich eine Gewerkschaft.

Brauerei stand mehrfach vor dem Aus

Der Mutterkonzern hat bereits das letzte Bier in der historischen Brauerei Potrero Hill gebraut – „aus der Brauerei kommt jetzt kein Dampf mehr“, erklärte Brauerei-Sprecher Sam Singer. Die 61 Mitarbeiter der Brauerei wurden am frühen Mittwochmorgen über die Schließung informiert. Der Schankraum der Brauerei, Anchor Public Taps, wird mindestens bis zum 1. August, möglicherweise auch länger, in Betrieb bleiben.

Die Vermögenswerte von Anchor werden demnächst im Rahmen eines Verfahrens namens „Assignments for the Benefit of Creditors“ (ABC) zum Verkauf angeboten, einer Alternative zur Insolvenz, die darauf abzielt, die Gläubiger so schnell wie möglich auszuzahlen. Während dieses Prozesses könnte jemand eingreifen und die Brauerei kaufen; Der langjährige Eigentümer Fritz Maytag kaufte Anchor, als es 1965 kurz vor dem Zusammenbruch stand. Denn es gab immer wieder Momente in der Anchor-Geschichte, zu denen die Brauerei am Rand des Abgrunds war - nach dem Erdbeben von 1906 ebenso wie eben auch 1959. Als The San Francisco Chronicle 1959 die Schließung von Anchor ankündigte, handelte es sich um die kleinste aller Mikrobrauereien, die Berichten zufolge geschlossen wurde, weil Joe Allen, der 71-jährige Inhaber und Alleinangestellte, Schwierigkeiten hatte, die Fässer und Säcke mit Getreide anzuheben.

In der Craftbierszene wird daher spekuliert, ob es wieder mal eine Rettung für Anchor gibt. Singer sagte jedoch, „wiederholte Bemühungen“, einen neuen Käufer zu finden, seien erfolglos geblieben.

„Wir sind uns der Bedeutung und historischen Bedeutung von Anchor für San Francisco und die Craft-Brauerei-Szene bewusst“, sagte Singer, „aber die Auswirkungen der Pandemie, der Inflation – insbesondere in San Francisco – und eines hart umkämpften Marktes ließen uns keine andere Wahl, als diese traurige Entscheidung zu treffen.“

https://www.anchorbrewing.com/our-beer/anchor-steam/